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GOOTAN MORGAN

Das Universum ist voll von Sternen und Streifen, bloß der Mars ist rot. Inquisitoren borsteten allzeit wider den Fortschritt und werkten fleißig, die Erde zu verflachen.
Die Zacken der Sterne aber, die Säulen des Himmels sind schon weggedacht, drum ist Zukunft, my dear.
Doch siehe, vom Kosmos aus betrachtet liegt die Erde alleweil hinter dem Mond. (F. MOBS 1.1.1)


Klingende Namen wie Mayflower, Argo, Exodus, Titanic, Pretty Belinda, Aufunddavon etc. schmücken in lichtecht farbigen Lettern Archen, die voll mit Kultur und Gütern bereitstehen. Die Menschheit folgt und hat wenig Platz.
Sämtliche Vereine, Bünde, Verbände, Banden, Parteien, Ligen, Unionen, Zielgruppen, Genossenschaften, Organisationen, Cliquen, Claquen, Plåttn, Gangs, Zirkel, Stammtischrunden, alle für einen, einer für alle, Menschen wie du und ich sind mit von der Partie. Die Luken sollen schon geschlossen werden, da rufen noch welche um Einhalt. Die für gewöhnlich gut informierten Kreise haben zu spät von dem Vorhaben erfahren und wollen auch noch mit.
Was ist der matter? Ists ein neuerlich dunkel dräuender, alles hinwegspülender Sintregen, eine Atompilzvergiftung oder sonstiger apokalyptischer Schnickschnack, der die Menschheit zum Auswandern veranlaßt? Nichts von alledem, die Erde ist eben ein wenig klein und eng geworden und auch schon arg zerwohnt. Die Leute brauchen Atmosphärenwechsel und ziehen aus wie aus einem alten Haus.
Ad astra, basta – weg sind sie.
Filius McO'Benson bleibt allein zurück, scheinbar als einsames Opfer einer vorsintflutlichen Arithmetik, tatsächlich aber seinem ausdrücklichen Wunsch gemäß. Sollen sie nur durch die Sphären ihren Weg nach draußen suchen, hat Filius McO'Benson, der wackere Skipper, vordem seinen Entschluß bekräftigt, ich will mit dieser Welt genesen oder untergehen. Überhaupt wird uns ohne Honoratioren gleich um vieles wohler sein.
Sowie die letzte Rakete samt Feuerschweif ganz klitzeklein geworden und unbewaffneten Auges nimmer auszunehmen ist, atmet poor lonesome Filius zweimal kräftig durch und wartet dann eine Weile inmitten der Weltwunder – irgendwo zwischen den Pyramiden und Disneyland – verschmitzt darauf, daß nun die Saurier wieder aus ihren Verstecken kämen. Denn noch ist nicht aller Wochen Schabbes, nicht aller Monate Ultimo, nicht aller Tage Fünfvorzwölf, aller Jahre Silvester oder aller Reden Howgh. Mit dem Summerton ists punkt schlag glock und somit garnicht spät – das Leben geht allemal weiter.
Filius der Große ist alleiniger Herrscher auf Terra, obgleich durch etwas Viehzeug konkurriert und sonst mutterseelenverlassen wie ein Stein auf der Autobahn respektive ein Halm in der Sahara. Trotz allem würde sich Filius niemals zu einer derartigen Einfallslosigkeit hinreißen lassen und einen ixbeliebigen Kannibalen, der ihm über den Weg liefe, schlicht und gar zu einfach mit dem Namen eines zufällig eingetretenen Wochentages oder Zeitpunktes benennen. Mittag, Spätschicht, A.M., P.M., Fuffzehnuhrdreißig, Herbst, Julei oder Anno Domini, solche Namen zeugen von wenig Fantasie. Filius hätte da durchaus andere Buchstabengebilde parat, durchaus.
Eine große Reklametafel und ein leises Grimmen in der Appetitgegend erinnern Filius an den Hunger in der Welt. Ihm wird nach Burgern zumute und nach dunkelbrauner Limonade. Auch einen ordentlichen Ärmel Burenhaxen, mit Bier hinunterzuspülen, oder etwas Bircher-Benner-Müsli würde er nicht verschmähen. Schlußendletztschließlich macht ihm der Gedanke an ein Chateaubriand samt Sauce Béarnaise, petit pois, Spargelspitzen, champignongefüllten Artischockenböden und einem großen Haufen Pommes frites die Lefzen vollends triefend. Für McO'Benson, einen Mann der Tat, besonders wenn niemand ihn hindert, ist Überleben ein Lässiges und Leichtes, denn er hat gedient. Noch ist es nicht so weit, daß er das dabei Erlernte anwenden muß. Nach Schlangen, Würmern, Käfern suchen, im Asphalt nach Wurzeln graben, die giftigen von den genießbaren Beeren scheiden, Hydranten das Wasser abzapfen, dazu ist später die Zeit. Hier und heute sind die Kühlschränke noch lange nicht leer und viele Tafeln reichlich gedeckt. Nach Verzehr mehrerer Dutzend opulenter Sandwiches verlangt es Filius nach einer Nachspeis. Zu seinem Leidwesen muß er erkennen, daß eine sorgfältige Plünderung sämtlicher Süßigkeiten stattgefunden haben dürfte. In Erkenntnis dessen spricht er „indeed", läßt die Konsonanten auf der Zunge zergehen und die Vokale über den Gaumen schnarren und hat so einige Joule gespart, ist sowieso gesünder.
Filius mag nicht mehr in seiner allzu kleinen Garçonniere an der Peripherie des entlegensten Außenbezirkes wohnen und muß auch nicht, denn an Auswahl komfortabler Unterkünfte fehlt es nicht, obwohl einige Kindsköpfe sogar die Schlüssel ihrer wohlverschlossenen Behausungen mit ins kühle All genommen haben. So verbringt er den Rest des Tages damit, sich in den großen Herbergen umzusehen, welche wohl dem Schah aller Kaiser und Häuptlinge standesgemäße Betten zu bieten hat.
In der Rezeption des Palast-Hotels, eines Hotelpalastes im fürnehmsten Viertel der Stadt, hängt an einem Brettchen aus erlesenstem Holze ein güldenes Schlüsselchen, dazu bestimmt, die Pforte zur Erzherzog-Johann-Suite aufzuschließen. Dem Gottesfilius, des Name Tabu ist und des Haupt immer ein wenig über all die anderen Häupter zu ragen hat, soll es das Schlüsselchen seiner intimen Residenz sein. In Damast gebettet, in Seide gehüllt wird Filius McGottes fürderhin, wie es scheint, die Nächte verschlafen.
So ist das Leben, geht immer irgendeinem Morgen oder Abend oder Mittag oder einer Nacht, einer Mahlzeit oder einem Umtrunk entgegen. Filius gedenkt von epochalen Taten abzusehen, die Epoche ist nicht danach. Er beschränkt sich lieber auf die Essenz des Lebens: lustig und fidel den Body am Funktionieren zu halten. Erst einmal schlafen, schlafen, vielleicht auch ein bißchen träumen, und nachher essen.
Spätmorgens kriecht Filius nach einigen wüsten und anderen erotischen Träumen aus seinem hochherrschaftlichen Bett, ist guter Dinge und lange nicht so verzagt wie die Untergangsapostel, die zum Himmelvater Sie sagen, sich jedes morgens ducken und auch tagsüber recht verzagt sind, immer gewärtig, daß ihnen der Himmel auf den Kopf knalle, oder daß sich ein heißer Höllenschlund auftue, zu welchem Zwecke auch immer.
Mehr aus Bequemlichkeit denn aus Bescheidenheit geruht Filius, der jetzo Unvergleichliche, sein Frühstück in der Hotelküche einzunehmen. Als er anschließend federnden Schrittes die Treppe vor dem Hotelpalast hinab seinem Morgenspaziergang entgegentänzelt, geschieht das Unglaubliche, immens Überraschende, fulminant Verblüffende, absolut Unbegreifliche, ein Superwui, das Überjöö.
Filius, der Halawachel, greift sich an die Rippen und sagt nur eins: „Aha!" Denn das ist wohl das Äußerste an Absonderlichkeit, die Krone eines Tupfens auf dem Gupf von Unwahrscheinlichkeit. Nebenbei ist er baß verwundert und staunt einige Bauklötze übereinander. Itzt, oh Filius, heißt es die Hände nach gründlichem Ringen über den heftig zu schüttelnden Kopf zusammenschlagen. Dort auf der gegenüberliegenden Straßenseite gewahrst du ein menschliches Wesen untrüglich femininer Art – ein Leuteweibchen. Wie sie ansprechen, ohne die Etikette zu verletzen, denkt der Gentleman vom Scheitel bis zum Steiß.
Er ist noch ganz perplex, als die Dame ihren Blick auch schon filiuswärts wendet, und verfällt, den Knigge mißachtend, sogleich in zauderndes Winken. Das Fräulein vis-à-vis beäugt den Flegel eine Zeit lang mit mißtrauisch zur Seite geneigtem Kopf und verkniffenem Blick, um ihm schließlich doch entgegenzuschweben. „Pardon", beginnt sie, gleichfalls gegen alle Regeln des Anstands, das Gespräch, „ich dachte vorerst, sie wären mein Verlobter, dem ich heute nach heftigem Streit zu verstehen gegeben habe, daß er sich gefälligst ohne mich in die Scheißrakete trollen und mitsamt seiner Mutter, der alten Glucke, in den Kosmos scheren solle".
„Ich weiß nicht definitiv, ob ich mich glücklich zu schätzen habe oder ob ich bedauern muß, daß ich nicht der Herr Verlobte bin", lächelt Filius souverän charmant wie ein Offizier aus einem Frauenroman der Jahrhundertwende vom neunzehnten zum zwanzigsten. „Sie haben übrigens einen netten Akzent in ihrer Körpersprache – gestatten, daß ich mich vorstelle", lüpft er einen imaginären Chapeau Claque, „Filius McO`Benson der dreitausendundsiebte".
Dieses Weib aber, viril und resolut wie eine Arbeiterundbauernstaatvorarbeiterin, zeigt sich unbeeindruckt. „Lassen wir das Süßholzraspeln – es gibt viel zu tun. Erst einmal muß ich einen neuen Namen für mich finden, der alte taugt nichts mehr, ich brauche einen, der in diese Zeit des Aufbruchs paßt".
Filius, der Tropf, wagt der Walküre den Namen Eva anzubieten, gerät aber damit an ganz die falsche. Während der folgenden gewaltigen Tiraden, die gnadenlos an seine Felle trommeln, wird für Filius gewiß, daß Sermon der Name eines tropischen Wirbelsturmes der schrecklichen Art sein muß. Er folgt dem Vortrag der Genossin so unkonzentriert, wie es einem Manne geziemt, der vor den Trümmern süßer Hoffnungen steht. Wie Schuppen von den Augen befällt Filius die Erkenntnis: Dies wetternde Gegenüber ist immun gegen rotes Illuminieren, Geigenschmeicheln und Lotterbett – eine ausgemachte Migränistin.
Umso größer ist die Verwunderung, als er merkt, daß die Amazone ihren Monolog beendet hat, ihre Hand auf seine Schulter legt und entschlossen lächelnd spricht: „Komm!" Filius, aus geistiger Absenz zurückgekehrt, hört das Ausrufezeichen lieblich nachklingen.
Nach Frühlingsgefühlen beim ersten Erspähen dieses Objekts seiner Begierde und einem rasch folgenden eisigen Winterfrost, ein Wechsel übrigens, der keinem Kreislauf zuträglich ist, hätte er das nicht zu träumen gewagt. Doch die frisch knospenden Erwartungen werden wiederum enttäuscht, denn sie schlägt den Weg zum Konferenzsaal ein. Dort ist der rechte Ort, die Gründung einer neuen Erdbevölkerung vorerst theoretisch in die Wege zu leiten, findet sie. Das Ganze muß dieses mal besser geplant und durchorganisiert werden, sagt sie. Man kann Fehler besser vermeiden, wenn man nur alles gründlich durchdiskutiere, natürlich absolut demokratisch von Anfang an, meint sie und beginnt mit einem Plädoyer für die Rechte der Frau und demokratische Erziehung der Nachkommenschaft. Darauf folgt ein Vortrag über die Pflichten der männlichen Bevölkerung namens Filius. In der anschließenden konstruktiven Diskussion werden auch Vorschläge angenommen. Filius schlägt also vor, zur Vereinfachung einer zukünftigen Verwaltung gleich Nummern auszugeben, worauf eine mehrstündige, heftige, mit allen Finessen der Rhetorik geführte Debatte entbrennt, wer von den Anwesenden die Nummer eins erhalten solle.
Nach Behandlung sämtlicher Punkte der Tagesordnung und nach etlichen Abstimmungen, bei denen Filius nahezu ausnahmslos mit überwältigender Mehrheit überstimmt wurde, begibt sich das Komitee in die Erzherzog-Johann-Suite, um im Zuge eines geselligen Beisammenseins gleich einen Teil des Konzeptes in die Praxis umzusetzen.
Und der Mensch erkennt sein Weib, obwohl er sich das alles viel romantischer vorgestellt hat.
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan! Herrschet über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alles Getier, das sich auf Erden regt!
Das wird ein Spaß!

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