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DER FUND

TEIL 1
Nun ists also gelungen, schon dachte ich, daß ich diesen Augenblick nicht mehr erleben dürfe, sprach Filius MacO'Benson aus, als er nach langer, zermürbender, durch etliche entrische Gefilde führender Überlandpartie schließlich am Rande der ebenso langgesuchten wie rätselhaften Wüste Khalslah stand.
Obgleich von den durch die landesüblichen Mehlspeisen verursachten Verdauungsstörungen schwer gezeichnet, hielt er sich, von Forschergeist getrieben, wacker aufrecht.
Silvester Waldmann, Filius' treuer Gehülfe, Gefährte, Butler, Freund und Zwetschgenröster war ein wenig besorgt um die Gesundheit seines Herrn und Spezis. Doch Filius Ibn MacO'Benson, der Tausendstelsassa, war allen üblen Winden zum Trotz nach wie vor besessen von dem Gedanken, die Geheimnisse präatavistischer Kulturen auszugraben und zu katalogisieren.
Mit dem Auffinden der Venus von Sumphzehn hatte sich Filius in der Fachwelt bereits einen Namen machen können und hoffte nun, aus dem Verwitterungsschutt dieser Wüste etwas zu holen, das seinem Namen und seinem Werk in künftig zusammenzustellenden Lexiken einige Zeilen zwischen Macmillan und Macon sichern würde, ungefähr in der Art: MacO'Benson, Filius, gb jhr schn mrknschr rchlg ntdckr d ntkn wns vrfssr zhlrchr hstrschr schrftn.
Ich möchte vorschlagen, daß wir nicht weiter in die Einöde vordringen, sondern gleich hier biwakieren, zumal die Mannschaft schon etwas erschöpft wirkt, unterbrach Silvester Filius' Gedanken vom Ruhm. Ganz recht, streute Filius zerstreut ein, schaute mit immer suchendem Blick über die Massen von Sand in jene verheißungsvolle Ferne oder auch – wer weiß – unmittelbare Nähe, wo Schätze lagen, die nur er und seinesgleichen zu schätzen wußten.
Silvester Waldmann erkannte und akzeptierte Filius' derzeit komplizierten Gemütszustand und wies, ohne den Herrn Freund weiter zu stören, die eingeborenen Dienstmänner an, das Nachtlager zu richten.
In der Abenddämmerung dann, am Lagerfeuer, wandten die beiden Kumpane sich ihrem liebsten Thema zu und plauderten wiederum historistisch.
Einmal, im Zuge eines solchen Gesprächs, hatte Silvester vermeint, daß man bei Betrachtung von Luftaufnahmen der Ruine des Turmes von Babylon zu dem Schluß gelangen müsse, der Turm sei seinerzeit mittels eines riesigen Fliegenprackers zerstört worden.
Ein andermal hatte Filius die These vertreten, die Bezeichnung der Germanen als solche, die man bisher als den von den Römern aus dem gallischen übernommenen Begriff für die Völker zwischen Rhein, Donau und Weichsel kannte, deren genaue Herkunft aber bis dato im Dunklen geblieben ist, sei seinem bescheidenen Ermessen nach auf das germanische Ger und das lateinische Mania zurückzuführen. Der Ausdruck Germane ist demzufolge ein von den Römern geprägtes Mischwort und heiße nicht anderes als Speerbesessener. Viele deutsche Vornamen weisen auch heute noch auf die typische Beziehung dieses kriegerischen Volkes zu Waffen und Heldentum hin. Diesmal sprachen die zwei freilich über nichts anderes als über die Expedition und die versunkene Stadt und sponnen Theorien, wie diese am besten zu finden sei. Filius MacO'Benson, nachdem er wahrlich nahezu alles Material, das es über die versunkene Stadt gab, aufgestöbert und studiert hatte, war nunmehr von Zweifeln geplagt, ob der eingeschlagene Weg auch der richtige sei. Die Angaben über die Lage dieses Ortes waren oft zu widersprüchlich und irreführend und manchen zufolge müsse man die Stadt überhaupt auf der anderen Seite der Erde suchen.

PART II
Auf eine glückliche Fügung, den Haken, den das Schicksal in die gewünschte Richtung schlägt oder auch die allesinslotbringende Eingebung, darauf konnte Filius lange warten. Soll er sich doch lieber den alten Schriften und Plänen widmen, die er wohlweislich mitgenommen hatte, sie aufs neue studieren und den entscheidenden Fingerzeig suchen, der ihm bisher entgangen war.
Die Mannschaft grub inzwischen auf Silvesters Weisung hie und da da und dort, bis eines Tages unter lautem Heureka ein flaches, blaues, nach einer Seite einen Pfeil bildendes und mit geheimnisvollen Zeichen versehenes Ding gefunden ward.
Silvester eilte sogleich, den Fotoapparat und Filius zu holen.
Der alte MacO'Benson, als er des Dings gewahr wurde, war sogleich im Bilde, und nach Beantwortung einiger gezielt an die Ausgräber gestellten Fragen wußte Filius in welcher Richtung die Suche weiterzugehen habe.
Nach Wochen und gar Monaten der Resignation schon verdächtig nahe, faßte Filius neuen Mut, gönnte sich und den Dienstmännern von nun ab keine Pause mehr. Silvester konnte den in seine Idee Verbissenen nur mit vielen Überredungskünsten und allervernünftigster Argumentation dazu bringen, daß er drei von den Leuten vom Graben abzog, um beim einige Tagesreisen weit entfernten Greißler die schon zur Neige gehenden Vorräte ergänzen zu lassen – auch hatte er mittlerweile allzu lange einer Zeitung entbehren müssen.
Die drei brachten außer den bestellten Lebensmitteln und notwendigen Gebrauchsgegenständen die Hiobsbotschaft mit, daß der alte Feind und Widersacher Wenzel Drzak, alias Pieter Brueghel, Eliott Drash, Xaver Tetschner, Verbleue, Alois Dögl, Peter Black, Guiseppe Violenza, Stanislaw Oblatzkij, Fernando Brachial, Aristippos Herostratos oder wie er sich sonst noch nannte, ihnen bereits auf der Spur war.
Nicht erst einmal hatte der oben verschiedentlich genannte durch Raub oder einfachen Diebstahl wertvolle Stücke aus Filius' Gewahrsam entfernt.
Nun waren also Eile und Wachsamkeit geboten.
Am sechsten Tage endlich, nach dem die Essenholer zurückgekehrt waren, wurde Grube Nummero zwounddreissig durch einen Freudenschrei, der aus ihr tönte, zum Zentrum der Aufmerksamkeit. Dort war in der Tat Interessantes gefunden worden, riesig, grau und flach. Filius erkannte das Gebilde sogleich als eins aus Beton, diesem damals gerne verwendeten Baustoff.
Sobald der ganze Block freigelegt war, gab Ibn MacO'Benson Anweisung, das Trumm umzudrehen, und als auch das geschehen war, konnte er sich lauten Jubels nicht enthalten, war er doch derjenige, der den alten roten Lettern, die auf diesem künstlichen Stein angebracht waren, den entsprechenden Sinn entnehmen konnte.
Hier stand: Wohnbau der Gemeinde Wien errichtet in den Jahren...
Und weiter darunter, in anderer Schrift, die aus feinen Punkten zusammengesetzt schien, welche zu den Rändern der Buchstaben hin immer mehr an Dichte verloren, stand: Fuck Kyselak.
Die versunkene Stadt war gefunden.

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