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VENDETTA IN FAVORITEN

Dem Ferdinand war etwas widerfahren, was er niemals hätte verhindern können, weil ers nicht hat kommen sehen, weil er garnicht die Idee in sich geborgen hatte, jemand könnte darauf verfallen, einem Ferdinand wie ihm solche Schmach anzutun.
Jetzt, wo es passiert war, meinte Ferdinand unbeirrt: „Mid mia need" – ungeachtet der Tatsache, daß doch mit ihm.
Verhindern konnte er nichts mehr, also bezog sich das „mid mia need" höchstwahrscheinlich auf die Rache auf die er sann.
Ursache des Vorkommnisses, das Ferdinand erbitterte, lag in einem alten Nachbarschaftsstreit.
Die im Gemeindebau in zwei übereinanderliegenden Wohnungen logierenden Familien Dolezal und Szarvas traktierten einander schon seit Jahren mit mehr oder weniger raffinierten Bosheiten.
Den eigentlichen Anlaß hatten alle schon vergessen. Er dürfte in einer Dritten, Vierten und Fünften gegenüber gemachten, unbedachten und wenig schmeichelhaften Bemerkung der Frau Dolezal, die Frau Szarvas betreffend, liegen.
Der Streit war soweit gediehen, daß sich unter den Parteien im Hause inzwischen drei Parteien gebildet hatten, die Szarvas-, die Dolezal- und die Losstsunsinruamiddemschaas-Partei.
Wie ein Siegel auf inniger Feindschaft lag eines Tages ein großer dampfender Fäkalhaufen vor der Wohnungstür der Dolezals, auf der Diadackn quasi.
Erwähnter Haufen war es zuletzt, der Ferdinand zu der Äußerung veranlaßte: „Mid mia need".
Mühsam suchte Ferdl nun nach entsprechendem Konter, verwarf im Zuge dessen den Gedanken, den anderen ebenfalls vor die Tür zu kacken, weiters den, seinem Widersacher den Luftdruck in den Pneus seines Fahrzeugs auf ein Minimum zu reduzieren – auch das hatte der Nachbar schon vorweggenommen.
Ferdinand jedoch ging es darum, einigermaßen Originelles zu bieten, ein Denkzettelexempel, das dem Namen Dolezal legendären Ruf im Gemeindebau verschaffen würde und er künftig von allen Nachbarn, und allen voran den Szarvas, mit gebührlichem Respekt behandelt würde.
Kosten und Mühen spielten dabei keine Rolle. Ferdinand war durchaus bereit, dafür ein Sparbuch zu opfern und Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Hauptsache, er konnte die Szarvas ärgern. Hatte er doch einst extra die allseits beliebten Spannteppiche aus der Wohnung entfernt und seine Gattin sowie die Kinder allesamt mit Holzschuhen ausgerüstet, mit denen sie dann durch die Wohnung zu klappern hatten. Oder gestattete er seinen Sprößlingen, ihre Stereoanlagen voll aufzudrehen. Die Erlaubnis band er allerdings an die Bedingung, daß sie die Lautsprecher auf den Boden legten, damit die Szarvas drunter auch möglichst viel davon hätten.
Ferdl hatte auch schon ein Zwergkänguru als Haustier erwogen, war damit aber bei der Gattin auf Ablehnung gestoßen. Die Kinder hättens begrüßt.
Mit Verhärtung der Fronten hatte Ferdl den bei früheren Begegnungen im Stiegenhaus stets angebrachten launigen Gruß „seavas Szarvas" modifiziert in ein „nau seavas, da Szarvas". Der Nachbar zog es vor, bei solchen Begegnungen überhaupt nichts zu artikulieren, anders als bei den Gelegenheiten, bei denen die Kontrahenten in Zuge eines weiteren Gefechtes nicht zufällig, sondern willentlich und heftig aufeinanderstießen. Da ließ der Franz Szarvas sich nicht lumpen, was grobes Wortbefetzen betraf.
Wenn es nicht gegen die Hausordnung verstoßen hätte, so würden die beiden Familien längst einen Graben durchs Stiegenhaus gezogen haben.
Ferdinands dumpfes Sinnen fand Erleuchtung, als die Szarvas einen Schrebergarten samt Salettl mieteten, ein Kleinöd, in dem sie in Ruhe und ohne die üblichen Scharmützel zu übersommern trachteten.
Aber nicht mit Ferdinand, respektive nicht ohne ihn.
Ferdl vollbrachte ein organisatorisches Kunststück, indem ihm gelang, das angrenzende Grundstück zu mieten, und er freute sich schon auf den Schrecken, der den Szarvas beim ersten ihn, Ferdl den Rächer, erkennenden Blick über den Zaun in die Knochen fahren würde.
Und wirklich wars eine kuriose Szene, wie der Szarvas sich zuerst wohlgefällig im Garten umsah und dann den grimmig ihm zunickenden Dolezal erkannte, wie ihm das Unterkiefer runterklappte und er dann haareraufend im Gartenhäuschen verschwand und danach nach und nach die übrigen Familienmitglieder aus Türchen und Fensterchen lugten um nachzusehen, ob das wirklich wahr sein dürfe, daß im Garten daneben der Ferdinand stand.
Franz Szarvas sah ein, daß er seinem Feind nicht entkommen konnte. Die beiden verhängten den Ausnahmezustand über die Kleingartensiedlung und widmeten jede frei Minute, die Beruf und Bezirksgericht ihnen ließen, den Auseinandersetzungen im Garten.
Zuerst wurden von den Kontrahenten große, blödgezüchtete Hunde angeschafft, als Stellvertreter in unzähligen Kämpfen aufeinander losgelassen und schließlich der Tierkörperverwertung übergeben, denn sie hielten nicht lang.
Szarvas spritzte gern mit einem Feuerwehrschlauch in Nachbars Garten. Dolezal wiederum besorgte sich einen starken Motorrasenmäher und frisierte ihn so, daß nicht nur Mähgut, sondern auch kleine Äste und Steine über den Zaun flogen.
Das beliebte Grillen gestaltete Szarvas derart, daß er bei günstigem Wind mit Braunkohle unterheizte, der er immer genügend nasses Stroh beimengte, und gut abgelegene Tierkadaver samt Gefieder oder Fell auf den Rost tat.
Dolezal ließ eineinhalb Meter große Gartenzwerge anfertigen und in der Wiese in der Weise aufstellen, daß die Nachbarn deren obszöne Handzeichen und entblößten Gesäße im Blickfeld hatten.
Regelmäßig wurden über den Zaun Beschimpfungen ausgetauscht, und boshafte Aktionen wurden nicht selten mit den Rufen „jetzt geehts lohoos" angekündigt. Deswegen mischten bald weitere Nachbarn mit, die ihre Ruhe haben wollten, und um die zu erzwingen, schritten sie lärmend ein.
Vorerst gab ein Wort das andere, dann gaben Worte Worte, aber alsbald ward gehandelt.
An Stelle der Kleingartensiedlung war ehemals eine Mülldeponie gewesen, und nun arbeiteten sie alle daran, daß hier Gleichwertiges entstehe – eine Schreberwüste.
Lediglich der Inhaber eines Ökogärtleins wollte neutral bleiben. Dieser anerkannte Spinner und Faulenzer war mit nichts davon abzubringen gewesen, daß er Unkräuter ungebremst gegen seine Nachbarn wachsen ließ und die sauber gestutzten Rasen und gepflegte Beete gefährdete. Deshalb wurde sein Terrain als erstes verwüstet.
Immer schwereres Gartengerät wurde angeschafft und gegen Nachbargärten eingesetzt:
Lebende Bäume wurden behobelt sowie Jägerzäune zersägt, und so manches Salettl loderte und zerfiel durch gestifteten Brand.
Ein Getös von Kleintraktoren und Motorsägen wies jedem kilometerweit Entfernten selbst während der vom Kleingartenverein festgelegten Ruhestunden den Weg zum Schauplatz des Geschehens.
Wütend schleppten die Wackeren Fässer von Fungiziden, Pestiziden sowie Herbiziden herbei und benutzten sie naturgemäß als chemische Kampfmittel. Auch Reste von Farben und Lacken wurden raffiniert eingesetzt. Verbliebene Grünflächen wurden in Grau- und Braunflächen umgewidmet. Da und dort standen Rosenstöcke in Pink oder lila Bäumchen – blattlos, versteht sich.
Auf kahlen Grundstücken sah man bald nur mehr einsame Zelte und Maschinen, statt den Jägerzäunen und Hecken gabs jetzt Gräben und Stacheldraht.
Das eigentliche Zerstörungswerk war vollbracht, der Winter nahte, viele Gattinnen verweigerten den Nachschub an Verpflegung, also kehrten nach den Weibern und Kindern schließlich auch die Recken in ihre Wohnungen zurück. Die meisten wurden in die verschiedensten Bauten versprengt.
Die Dolezals und die Szarvas aber, die blieben Nachbarn...

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