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A: Interessant, daß sie da mitgezählt haben, ich hätte nicht gewußt, auf welcher Höhe wir sind. Wenn man dauernd so auf und ab fährt, wissen Sie...
Z: Wenn ich nur wüßte, warum er steckengeblieben ist
A: Er schafft es einfach nicht immer bis oben, darum mag ich ihn so sehr
Z: Vielleicht ist er überlastet! Wieviel wiegen Sie? Was führen Sie in ihrer Tasche mit?
A: Vielleicht ist Ihnen zu schwer ums Herz?!
Z: Dieser Aufzug hält mich auf. Nicht auszuhalten ist das! Meinen Termin hab ich schon so gut wie versäumt. Weiß Gott, was ich jetzt noch alles versäume
A: Man bekommt im Laufe eines Lebens viele Gelegenheiten verpaßt und verpaßt sie wieder. Das muß einem jedoch nicht leid tun. Ich zum Beispiel war beim Militär Panzerfahrer, hätte bleiben können, habe es mir aber dann anders überlegt, wegen des Exerzierens, wegen der ständigen Gefahr, mitten auf freiem Felde den Panzer verlassen zu müssen, und nicht zuletzt der großen Schlafsäle wegen. Im übrigen hatte ich schwerwiegende pazifistische Bedenken. Aber gefallen hätte es mir schon in so einem Panzer
Z: Haben Sie keine Arbeit?
A: Wozu? Meine Ansprüche sind gering und meine Vergnügungen billig: Ein wenig spazierenhängen und etwas ausspannen zwischen den Stockwerken
Z: So hab ich Sie gleich eingeschätzt: Sie machen nichts Nützliches
A: Panzerfahren wäre nützlich gewesen?
Z: Zumindest im Dienste der Allgemeinheit
A: Sie müssen schon alle in die Allgemeinheit miteinbeziehen. Ein Panzer ist dafür gedacht, geb ich zu bedenken, einem Teil der Allgemeinheit zu schaden
Z: Das dürfen Sie nicht so global sehen. Ich habe von Allgemeinheit gesprochen und nicht von allen. Ihr Volk ist Ihre Allgemeinheit. Das Volk wiederum stellt in der Menschheit das dar, was Sie in Ihrem Volke sind. Darum kümmern sich dann die Lenker des Staates, wie freundlich das Volk anderen Völkern gegenüber zu sein hat, denn der einzelne kann die Menschheit nicht überblicken...
A: Verstehe, darum soll er sie lieber gleich übersehen
Z: Sparen Sie sich Ihren Zynismus
A: Och, das war bloß Ironie oder höchstens Sarkasmus
Z: Irgendwann werden Sie die Allgemeinheit brauchen, dann wird sie sich abgewandt haben von Ihnen
A (zuckt lächelnd die Achseln)
Z (räuspert sich): Ich sage immer, was ich denke. Das ist ehrlich
(Man schweigt einige Zeit, Z greift ordnend an seine Kleider, danach)
Z (energisch, konzentriert lauschend):
Psst!
A (nickt zur Bestätigung): Psst
Z: Haben Sie die Erschütterung gespürt?
A: Nichts dergleichen
Z: Da! er bebt der Lift!
A: Sie sind das Sie zittern
Z: Ich sollte aufhören damit, sonst stürzen wir noch ab. Die Seile lösen sich aus den Verankerungen und haltlos sausen wir in die Tiefe. Wie die Sache mit dem Damoklesschwert, nur umgekehrt...Ich meine, wir sitzen drinnen
A: Worinnen?
Z: Im Schwert
A: Sie macht Sie ganz schön abstrus denken, Ihre Angst
Z (brüllt): Erinnern Sie mich nicht dauernd daran!
A (nach etwas Schweigen): Jetzt kam mir erstmals der Gedanke, daß es hier doch etwas zu eng sei. Akustisch kanns ziemlich eng werden, muß ich bemerken. – Woran, meinten Sie, soll ich Sie nicht erinnern?
Z: An...an meine...an...an meine...(brüllt wieder) jetzt reichts endgültig!
A: Sie dürfen die Wirkung der Schallwellen nicht unterschätzen. Gerade durch Ihr Geschrei vermögen Sie heraufzubeschwören, daß wir runterfallen...Lawinen löset der Schall, massive Mauern bläst er um wie Kartenhäuser ich erinnere in diesem Zusammenhange an die Geschichte in Jericho damals Steinschlag verursacht er, Fensterscheiben zertrümmert er, Lifte wirft er unbekümmert in die Tiefe...Hüten Sie sich
Z (wimmert leise, fängt sich nach einer Weile wieder, wird auf Geräusche außerhalb aufmerksam): Hören Sie? Hören Sie! Da ist jemand draußen, im nächsten Stockwerk, vor der Aufzugtür. Hallo, Hallo, hier sind wir, wir sind eingeschlossen und der Lift droht abzustürzen. Alarmieren Sie die Feuerwehr. Hallo!...Hilfe!...Feuerwehr!...Ka-tas-tro-phen-ein-satz!...Die Luft geht zur Neige!...Der Lift hängt an einem dünnen Faden und ich hab Bauchweh...Hallo! Hilfe!
A (nach draußen): Lassen Sie sich Zeit, es besteht keine Gefahr! Man übertreibt! Ich möchte bleiben!
Z: Mischen Sie sich nicht ein, wenn ein Mensch ums Überleben kämpft
A: Da war ja niemand
Z: Sind Sie sicher?
A: Ziemlich
Z: Also nicht ganz Hallo! Hallo! Hilfe! Hilfe!
A: Denken Sie an die Schallwellen
Z: Mach ich...Hilfe!
A: Ich bitte Sie, stören Sie doch nicht die weihevolle Stille. Draußen dürfen Sie lärmen, draußen ist alles laut. Dies hier soll ein Refugium sein vor dem Tosen der Welt. Sieh dich vor und zieh dich zurück lautet die Devise
Z: Hilfe! Geben Sie Ellbogenfreiheit!
A: Dauernd drängen Sie, immer schreien Sie
Z: Weil ich raus muß, weil ich weg muß, weil ich erfüllen muß
A: Wenn Sie den Lift mit Geschrei erfüllen, kommen Sie auch nicht eher raus oder rauf oder was weiß ich wo Sie hinwollen
Z: Bald muß ich wieder runter und raus aus dem Gebäude
A: Sie könnens wohl nicht erwarten, Ihre Erwartungen einzuholen
Z: Sie haben ja nichts zu erwarten!
A: Bin nichts destoweniger einiges gewärtig, so können mich keine Erwartungen einholen. Ich bin gefeit vor Überraschungen und Unterraschungen
Z: Alles können Sie auch nicht einkalkulieren
A: Ach was, kalkulieren. Ich erwarte nur stets nichts, nicht einmal, daß nichts passiert. Sollten wir abstürzen, zum Beispiel, landen wir direkt im Keller, dort ist es auch recht gemütlich
Z: Ich kann noch lauter schreien
A: Bemühen Sie sich nicht
Z: Ich werde Ihnen die Ohren volljohlen, wenn Sie sich weiterhin in diese Richtung äußern wollen
A: In welche Richtung?
Z: Abwärts, Sie äußern sich abwärts
A: Irgendwie versteh ich Ihre Ängste, nur kann ich nicht ästimieren, daß Leute, die sich unsicher fühlen, ihre Unsicherheit lautstark übertönen müssen
Z: Ich bin nicht unsicher, im Gegenteil: ich bin sicher, daß ich mich in einer gefährlichen Lage befinde
A: So arg ist es wirklich nicht. Nehmen Sie die Situation hin so wie sie ist, Sie können nichts ändern zur Zeit. Üben Sie sich einstweilen in Geduld: eine wertvolle Übung, eine beruhigende Übung. Man gewinnt völlig neue Perspektiven auf diese Weise
Z: Ihre Perspektiven kenn ich inzwischen, Sie fühlen sich nur in Schachteln wohl
A: Da haben Sie so unrecht nicht. Zu Zeiten meiner Dreikäsehoheit war es mir jedesmal ein Fest, wenn ein neues Haushaltsgerät angeschafft wurde. Die Verpackungen von Herden, Waschmaschinen, Kühlschränken und dergleichen dienten mir dann immer als Behausung, bis sie dem Ordnungssinn meiner Mutter weichen mußten
Z (drückt verbissen auf den Knöpfen herum): Fahr! Du bist ein Fahrstuhl, also fahr!
A (schüttelt den Kopf): Er ist ein Aufzug, aufziehen sollte er, er darf aber auch liften, wenn er will. Genaugenommen fungiert er sogar als Abzug, das hängt ganz von der Richtung ab, die er nimmt
Z (murmelt): Vater unser der du bist im Himmel, du bist gebenedeit unter den Weibern, geheiliget werde dein Name, Schöpfer des Himmels und der Erde, und an deinen eingeborenen Sohn, bitte führ uns...
A: Beten Sie etwa?
Z: Ja, aber das meiste hab ich vergessen...es ist schon so lange her, seit ich das letzte Mal...
A: Ihr Gebete ist total konfus. Wirkungsvolles Beten geht ganz anders. Sie müssen sich versenken. Es ist eine kontemplative Angelegenheit. Mit dem Daherplappern irgendwelcher Formeln ist es nicht getan. Sie versenken sich und glauben ganz fest, und schon ist ein Berg versetzt
Z: Mir würde genügen, wenn...na Sie wissen schon
A: Da müssen Sie damit rechnen, daß ich dagegenbete
Z: Sie meinen, mein schlichtes aber dennoch inbrünstiges Gebet wird von Ihm nicht erhört?
A: Das denke ich, zumal eventuell gar kein Er da ist, der es hören könnte
Z: Doch, da draußen ist er
A: Sollte er nicht, wenn ich mich recht entsinne, überall sein, demnach auch hier, bei uns, in der Kabine...
Z: Um Gottes Willen, dann hätten wir ja noch weniger Platz
A: Gesetzt den Fall es gibt ihn; ...also wenn es ihn gibt, dann braucht er keinen Platz
Z: Braucht er nicht?
A: Braucht er nicht!
Z: Und wo wohnt Gott?
A: Gott steckt im Detail
Z: Gott ist groß!
A: Dimensionslos ist er. Im Falle, daß es ihn nicht gibt, ist die Platzfrage sowieso geklärt. Sollte es ihn jedoch geben in seiner Allgegenwärtigkeit, dann darf er gar keinen Platz brauchen, denn bräuchte er Platz, dann wäre überall nur er und nichts sonst
Z: Irgendwie muß er doch ausschauen, wir sind doch sein Ebenbild
A: Dann schaut er gut aus, ein gewaltiger Spinner vor sich selber wär er dann
Z: Sie sind ziemlich gottlos
A: Sie vielleicht auch, nur erwägen Sie es nicht. Sie glauben lieber, weils einfacher ist. Wenn es keinen Gott gibt, dann sind auch Sie gottlos, mein Herr. Das ist jetzt nicht böse gemeint, denn die Gottlosen ziehe ich den Unmenschlichen entschieden vor
Z: Meinen Gott laß ich mir von einem Ungläubigen nicht wegleugnen
A: Ich bin zwar Skeptiker, aber nicht ungläubig genug. Gegen eine ordentliche Beichte hab ich nichts einzuwenden. Ich wage zu wetten, daß Sie noch nie einen Beichtstuhl bekniet haben
Z: Beichtstühle vertrag ich nicht
A: Wie steht es mit dem Besuch von Sonntagsmessen?
Z: Kirchen mag ich nicht
A: Aber es gibt richtig große, ausladende...
Z: Kennen Sie Neunkirchen?
A: Etwa 60 km südsüdwestlich von Wien?
Z: In einer Umlaufbahn zwischen Mars und Jupiter!
A: Etwa 11.000 Einwohner zählend?
Z: Kartoffelförmig, zwischen 5 und 10 km lang!
A: Ich spreche von Neunkirchen
Z: Ich auch, ich auch
A: Neunkirchen ist ein Städtchen
Z: Neunkirchen ist ein Asteroid
A: Mein Neunkirchen ist erreichbar
Z: Meiner schwebt frei und ungezwungen im All
A: Ungezwungen! Daß ich nicht lache. Sie vergessen die Kraft der Gravitation
Z: Nun, aber Platz ist dort, viel Platz
A: Rätselhafte Finsternis und schwerelose Kälte naja, wems gefällt. Außerdem wimmelts dort von Meteoriten. Man sieht einen schon von weitem auf sich zukommen, will ausweichen und wirft sich exakt in die Bahn eines anderen Meteoriten pardauz...Wie einem Fußgänger auf der Autobahn kanns einem da ergehen...Draußen fehlts an Deckung
Z: Verschiedene Tierarten sind nicht willens sich fortzupflanzen in der Gefangenschaft
A: Noch kann ich Ihren Gedankensprüngen folgen
Z: Oft verweigern die bedauernswerten Geschöpfe sogar die Nahrungsaufnahme und gehen ein
A: Wenn Sie jetzt vielleicht etwas essen wollen...?
Z: Die Hölle stell ich mir vor als Lift, der ewig abwärts fährt...
A: Und gestopft voll mit all den Sündern! Sie haben ja tatsächlich Fantasie, hätte ich Ihnen nicht zugetraut
Z: Und Luzifer erinnert mich dauernd daran, daß ich für immer in einem Lift stecke und ewig nicht raus darf
A: Das war jetzt eine Spitze gegen mich, schätze ich
Z: Wie lange sind wir jetzt schon gefangen? Es muß sich um Stunden handeln
A: Ach wo, um ein paar Minuten höchstens
Z: Warum nur bemerkt niemand etwas, es muß doch auffallen, daß der Lift defekt ist
A: Viele benutzen ihn grundsätzlich nicht und gehen zu Fuß. Die Menschen leben gesünder heutzutage, sie legen Wert auf Bewegung
Z: Gesünder ist es ja, viel gesünder...Ich hätte auch die Treppe nehmen sollen
A: Sie sind wahrlich ein Kostverächter. Ich finde, nur fliegen ist schöner als das hier
Z: Flugplätze liebe ich. Auf Flugzeuge kann ich verzichten. Moderne Flugzeuge vermitteln nicht das nötige Gefühl, welches den Reiz des Fliegens ausmacht. In den offenen Doppeldeckern damals, in denen war einigermaßen vogelgleiches Fliegen möglich
A: Bei dem Krach, den die gemacht haben...so laut waren nicht einmal die Pteranodonten...ein flügellahmer Vergleich
Z: Da haben Sie ausnahmsweise recht...Drachenfliegen ist das Wahre...geräuschlos und frei dahingleiten
A: Wenn man von störenden Böen absieht
Z: Das werden Sie nie verstehen...Ihnen sind die luftdichten Kisten natürlich lieber und die wie in Dosen geschlichteten Menschenleiber
A (nickt eine Weile lächelnd)
Z: Was grinsen Sie
A: Ich mußte an einen Freund denken, der Ihnen ähnelt. Also eigentlich ist er nur ein Bekannter, mit dem ich zuweilen zu tun habe, ein fanatischer Radfahrer, dessen natürliche Abneigung gegen Autofahrer sich in einem besonderen, von ihm geprägten Begriff manifestiert...Er nennt sie Dosenarschlöcher...
Z (lacht auch einmal): Dosenarschlöcher...das ist gut, das trifft es...
A: In jungen Jahren war ich einmal an einem Rekordversuch beteiligt. Es ging darum, wieviele Menschen in eine Telefonzelle passen. Ich weiß zwar nicht mehr, wieviel letztlich Platz fanden, das Gefühl mittendrin jedenfalls war unbeschreiblich fantastisch.
Z: Zum letzten Mal, wenn Sie Ihre geschmacklosen Geschichten in Zukunft nicht für sich behalten, dann...
A: Oho, er droht! Er ist bereits so weit und wünscht mich zu zerfleischen! Er vergißt dabei jedoch, wer hier den Heimvorteil hat. Auf Händel sollten Sie sich mit mir hier nicht einlassen, ich kenne das Terrain
(Z steht mit geballten Fäuste und schaut grimmig)
A: Haben Sie sich beruhigt?
(Z blickt weiterhin haßerfüllt auf A)
A: Im Übrigen wollte ich sagen, sollten wir...wenn wir...also...(deutet einen Absturz an) Sie müssen ihn nicht fürchten, den Tod...
Z: Ich weiß besser, was ich fürchten muß
A: Er ist nicht schlimm
Z: Mir bekommt er nicht

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